Nina Kienreich

Diätologie | Yoga | Hormongesundheit

Aufhören, wenn es genug ist - oder die Kunst der Interozeption

15. Jänner 2024

Titelbild Interozeption

Essen ist nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern auch eine Gelegenheit, mit unserem Körper in Verbindung zu treten. Interozeption, das bewusste Wahrnehmen von Körpersignalen, spielt dabei eine entscheidende Rolle kann zu einem gesünderen Essverhalten führen. In diesem Artikel werden wir erkunden, was Interozeption bedeutet, wie man seine Körpersignale wieder wahrnimmt und welche Vorteile dies für unser Essverhalten haben kann.

Darum geht es in diesem Blogartikel:

  • Was Weihnachtskekse mit Körperintelligenz zu tun haben
  • Was ist Interozeption?
  • Warum wir uns immer mehr von unseren Körpersignalen entfremden
  • Wie trainiert man seine Interozeption?
  • Einfache Tipps für den Alltag

Was Weihnachtskekse mit Körperintelligenz zu tun haben

Weihnachtskekse und Mehlspeisen waren in den vergangenen Jahren der Tod meiner Figur - das dachte ich zumindest lange Zeit.  Seit drei Jahren erlaube ich mir, so viele Weihnachtskekse zu essen, wie ich möchte. Ohne im Kopf die Kalorien hochzurechnen, ohne besonders gesunde, aber wenig schmackhafte Rezepte, ohne sie mir durch Bewegung "verdienen" zu müssen und ohne die Deadline, sie nach dem 1.1. nicht mehr essen zu dürfen. 

Und siehe da - es hat auch heuer wieder funktioniert: Nach den Feiertagen mit vielen üppigen Mahlzeiten kam ich schnell an den Punkt, wo ich einfach keine Lust mehr darauf hatte. Wo mein Körper regelrecht nach "gesundem Grünzeug" und Bewegung lechzte und es mir leicht fiel, die restlichen Kekse für später einzufrieren. Im Volksmund würde man sagen: "Die Süßigkeiten hängen mir zum Hals heraus".

Das verdanke ich meiner angeborenen Körperintelligenz, die ich vor drei Jahren wiederentdeckt habe. Wenn wir unsere natürlichen Körpersignale nicht ständig mit unserem Verstand infrage stellen, dann wissen wir eigentlich ganz genau, was uns beim Essen guttut und was nicht. Unser Körper sichert unser Überleben und sorgt daher ganz von selbst dafür, dass er mit allen nötigen Nährstoffen versorgt wird. So schützt er uns auch vor einer einseitigen Ernährungsweise.

Was ist Interozeption?

Interozeption bezeichnet die Fähigkeit, interne Signale des Körpers wie Herzschlag, Atmung und Magenaktivität wahrzunehmen. Beim Essen erweitert sich dies auf die Sensibilität für Hunger, Sättigung und Geschmack. Im Zusammenspiel mit der somatischen Intelligenz, mit deren Hilfe uns der Körper über Signale der Bekömmlichkeit, Lust und Abneigung zeigt, was er gerade braucht, verfügen wir über einen sehr zuverlässigen inneren Ernährungskompass.

Wir alle kommen eigentlich schon mit diesem inneren Ernährungskompass auf die Welt. Ein gesundes Baby überisst sich nicht, denn es spürt von Geburt an, wann es hungrig ist und wann die Sättigung einsetzt. Ist es satt, wendet es seinen Kopf von der Brust oder vom Fläschchen ab. 

Unsere Kinder können uns bezüglich Körperintelligenz ein Vorbild sein - solange sie aus einem vielfältigen Angebot frei wählen können und Essen durch die Erwachsenen und den gesellschaftlichen Druck nicht von außen reglementiert wird. 

Warum wir uns immer mehr von unseren Körpersignalen entfremden

Mit zunehmendem Lebensalter nimmt die Bedeutung äußerer Reize immer mehr zu und schließlich die rationale Einstellung zum Essen überhand - wir essen immer verkopfter. Wir lernen, wie groß eine Portion zu sein hat, wann und wie oft wir essen sollen und welche Lebensmittel als Dickmacher zu meiden sind. Wir teilen Lebensmittel automatisch in "gesund" und "ungesund" ein, rechnen im Hintergrund die Kalorien mit und haben zahlreiche Ernährungsregeln verinnerlicht.

Da wir im Dschungel der Empfehlungen immer unsicherer werden, lassen wir uns gerne auch von ExpertInnen Ernährungspläne erstellen und Mengen vorgeben (Warum ich keine Ernährungspläne erstelle, liest du in meinem Blogbeitrag "Ein Ernährungsplan funktioniert bei dir nicht? Dann probiere es einmal mit intuitiver Ernährung"). Wie stark äußere Reize und unsere Einstellung zum Essen die tatsächlich gegessene Menge beeinflussen, zeigen zahlreiche Studien.

Selbst Ernährungsfachleute kritisieren, dass Kinder schon zu früh mit den Konzepten der gesunden Ernährung in Verbindung gebracht werden. Erschreckend ist, dass bereits Kinder im Grundschulalter Lebensmittel nach den Kriterien "macht dick", "macht stark" und "ist gesund" einheitlich und treffend einteilen. Durch den allgemeinen Schlankheitsdruck unserer Gesellschaft manövrieren sich so immer jüngere Menschen über den Teufelskreis aus Verzicht, Hungern und Essattacken in eine Essstörung.

Wie trainiert man seine Interozeption?

Die bewusste Verbindung zu den eigenen Körpersignalen unterstützt langfristig gesunde Ernährungsgewohnheiten und kann das Risiko von Essstörungen reduzieren. Das "In-Sich-Hineinhören", was und wie viel wir brauchen und was wir gut vertragen, ist der ursprünglichste Ansatz zum Thema gesunder Ernährung. Und in Zeiten, wo personalisierte Ernährung immer zum Thema wird, für mich auch der verlässlichste Zugang dazu. Es zahlt sich also auf jeden Fall aus, sich damit zu beschäftigen. 

Was kann also ich tun, um beim Essen wieder mehr vom Kopf in den Körper zu kommen?

Schritt 1: Hinterfrage deine eigene Diätmentalität und deine Glaubenssätze rund ums Thema Essen. Was verbietest du dir? Was muss auf den Speiseplan, weil es besonders gesund ist, du es aber eigentlich gar nicht magst? Zu welchen Zeiten erlaubst du dir zu essen? Wann darfst du auf keinen Fall essen?

Schritt 2: Wirf alle diese Glaubenssätze einmal über Bord. Führe dir vor Augen, dass alle Lebensmittel zunächst einmal nur aus verschiedenen Makro- und Mikronährstoffen bestehen - ohne Wertung. Erlaube dir, grundsätzlich immer zu essen, wenn du körperlichen Hunger verspürst (auch, wenn du gerade erst vor zwei Stunden gegessen hast).

Schritt 3: Erforsche genau, wie sich Hunger, Durst und Sättigung für dich anfühlen. Wo spürst du diese Signale? Welche Empfindungen hast du dabei? Mache dir auch bewusst, dass Hunger und Sättigung sich auf Skalen bewegen. Das heißt, ich bin nicht ganz hungrig oder total voll, sondern es gibt viele Abstufungen dazwischen. Am besten beginnst du zu essen, wenn du auf einer Hungerskala von 1 (kein Hunger) bis 10 (ganz starker Hunger) bei 5-6 angekommen bist.

Schritt 4: Zusätzlich helfen dir alle Arten Techniken, die dich gedanklich in den Moment bringen und deine Aufmerksamkeit auf den Körper fokussieren. Plane dir mehrmals pro Woche kurze Einheiten (10-15 min) z.B. Yoga, Achtsamkeitsübungen, Meditation oder Atemübungen ein.

Einfache Tipps für den Alltag

  • Nimm dir zumindest 15 Minuten Zeit zum Essen. Setze dich dazu hin.
  • Iss ohne Ablenkung, d.h. ohne nebenbei E-Mails zu checken, in den sozialen Medien zu surfen, fernzusehen, zu lesen oder Auto zu fahren. Angenehme (!) Gespräche beim Essen sind natürlich ok.
  • Gestalte deinen Essplatz ansprechend und richte dein Essen schön an. Die Sinne essen immer mit und helfen dir, früher Sättigung wahrzunehmen.
  • Atme vor dem Essen dreimal tief durch.
  • Nimm beim Essen das Tempo raus. Rieche und schmecke bewusst und kaue dein Essen ausreichend.
  • Wenn du den Impuls zu essen verspürst, spüre kurz in deinen Körper hinein, bevor du ihm nachgibst. Stelle für dich fest, ob die gerade körperlichen Hunger oder Durst hast, oder ob der Impuls aufgrund einer Sinneswahrnehmung (z.B. es riecht hier gerade so gut), einer Gewohnheit (z.B. ein Stück Süßes zum Kaffee) oder als Reaktion auf eine Emotion (z.B. Langeweile, Ärger, Anspannung) erfolgt.
  • Stell dir in regelmäßigen Abständen unter Tags eine Erinnerung und halte dann kurz inne. Atme tief durch (vielleicht beim offenen Fenster) und frage dich, wie es dir gerade geht und was du gerade brauchst.

Wenn du dabei noch mehr Unterstützung möchtest, dann melde dich gerne bei mir und wir vereinbaren einen Termin für ein kostenloses Kennenlerngespräch.